"Ja, auch an unserer Schule gibt es Schulverweigerer", so Willems. Sie und Riahi sind daher froh, dass sie bei den besonders schwierigen Fällen Unterstützung von außen erhalten: Etwa acht Sekundarschüler haben in den vergangenen fünf Jahren an der jetzt durch den Kinder- und Jugendhilfeausschuss verstetigten Maßnahme "Return - die 2. Chance" der Caritas Hamm teilgenommen - und das mit Erfolg: Alle konnten am Ende dazu bewegt werden, hier oder an anderer Stelle wieder zur Schule zu gehen.
Das freut auch Carmen Plaep, Leiterin Mobile erzieherische Hilfen im Caritas Familien Forum, sowie Gudrun Hackert, Mitarbeiterin bei Return. "Die Erfolgsquote liegt stadtweit bei 90 Prozent", sagt Plaep. Das bedeutet, dass 45 von 50 Schülern, die jedes Jahr über Return betreut werden, wieder in den Schulalltag integriert werden und regelmäßig zur Schule gehen. Von dem Thema könne sich keine Schule freisprechen. "Wir begleiten und betreuen Schüler aller Schulformen", sagt Plaep.
Eine genaue Zahl, wie viele Schulverweigerer es in ganz Hamm gibt, liegt der Caritas Hamm nicht vor. "Es sind aber deutlich mehr als die 50, die unsere vier Return Mitarbeiter jedes Jahr begleiten", weiß Plaep und stößt damit auf Zustimmung bei Willems und Riahi. Gerne würde die Sekundarschule weitere Schüler im Return Programm unterbringen. Doch leider sei die Platzzahl dort begrenzt, so die Schulsozialarbeiterin.
Doch was ist Schulverweigerung überhaupt? "Das", sagt Riahi, "ist ein äußerst komplexes Thema." Es gebe dafür viele Gründe. Das könnten, so Willems, zum Beispiel traumatische Erlebnisse, negative Einflüsse aus dem sozialen Umfeld, Versagensangst, Leistungsdruck, eine psychische Erkrankung oder Probleme in der Klasse sein." Oder die Schüler haben einfach keinen Bock auf Schule. "Sensibilisiert sind vor allem die Klassenlehrer. Wenn zum Beispiel Schüler mehr als 70 Fehlstunden im Halbjahr haben, ohne längere Zeit krank gewesen zu sein, schrillen die Alarmglocken. "Aber auch wenn sie regelmäßig über Bauch- oder Kopfschmerzen klagen, die Teilnahme am Unterricht verweigern oder immer an bestimmten Tagen fehlen, müssen wir genauer hinschauen", sagt Riahi. Oft könne in internen Gesprä-chen mit den Eltern, den Lehrern und der Schulsozialarbeiterin der Schulverweigerung entgegengewirkt werden, so die Schulleiterin.
Und wenn auch das nicht hilft? Dann schaltet die Schule das Jugendamt ein und bittet - sofern dies möglich ist - um eine Aufnahme in das Return-Programm. "Sie ist freiwillig und erfolgt immer in Absprache mit dem Jugendamt, das auch die Kosten der Maßnahme trägt", sagt Plaep.
Die Aufgaben der neutralen Return-Mitarbeiter sind vielschichtig. "In der Regel geht es damit los, dass wir Schulverweigerer in der Anfangszeit jeden Morgen an den Schulbesuch ,erinnern’ oder sie auch auf ihrem Weg zur Schule begleiten", erläutert Hackert. Hinzu kämen wöchentliche Gespräche in den Schulen, Hausbesuche und die Elternarbeit. Schwierig werde es, wenn sich die Eltern verweigern. "Auch das kommt vor." In diesem Fall müsse man dann noch mehr auf die Schüler einwirken.
Dies alles geschieht in enger Zusammenarbeit mit Schulsozialarbeitern, Lehrern und dem Jugendamt. Der Erfolg kann sich dabei unterschiedlich schnell einstellen. Einige Schulverweigerer werden bereits nach wenigen Monaten wieder in den Schulalltag integriert, bei anderen kann es bis zu einem Jahr dauern. Dabei erwarten Riahi und Willems nicht, dass Schulverweigerer sofort wieder im vollen Umfang am Unterricht teilnehmen. Für viele sei es auch schon ein Erfolg, wenn sie die Schule an zwei oder drei Tagen in der Woche oder für zwei oder drei Stunden amTag besuchen, sagt Riahi. Ein Schema F, Schulverweigerer zum regelmäßigen Schulbesuch zu bewegen, gebe es nicht. "Jeder Fall muss individuell betrachtet werden", sagt Riahi.
Die Mitarbeiter von Return und die Caritas Hamm gehen aufgrund ihrer Erfahrungen davon aus, dass sie das Thema noch lange beschäftigen wird. Denn: "Die Zahl der schulmüden Kinder und Jugendlichen nimmt schleichend zu. Neben den aktiven Schulverweigerern steigt vor allem auch die Zahl der Passiven, deren zunächst inneres und später auch aktives Fernbleiben aufgrund ihres stillen Verhaltens oft kaum auffällt. "Neben dem Bestreben, Schulverweigerer wieder in den Schulalltag zu integrieren, ist der Caritas auch die positive schulische Entwicklung der Betroffenen wichtig. Dabei wird Return beispielsweise durch Nachhilfelehrer des Caritas-Lerninstituts unterstützt. Situativ und nach Bedarf können auch weitere Hilfen einbezogen werden. (WA Gehre)
Zum WDR-Video aus der Lokalzeit Dortmund vom 02.01.2018: Projekt für Schulverweigerer https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-dortmund/video-projekt-fuer-schulverweigerer-100.html
Zum WDR-Beitrag vom 02.10.2018: Caritas Hamm hilft aus der Schulschwänzer-Falle https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/schwaenzer-zurueck-schule-hamm-projekt-100.html